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Wie sich die unbezahlte Arbeit in den letzten 10 Jahren in Österreich (nicht) verändert hat

Karin Ortner
Karin Ortner
19. Mai 2023

10 Jahre Blog Arbeiten und Studieren: Raum auch für ausführlichere Behandlung einzelner wichtiger Themen: Zum Beispiel die Frage nach der Entwicklung der unbezahlten Arbeit. Danke an Erika Rippatha und Viktoria Reisinger, zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik in der Arbeiterkammer Oberösterreich, für diesen interessanten Gastbeitrag:

 Wie sich die unbezahlte Arbeit in den letzten 10 Jahren in Österreich (nicht) verändert hat

Kurz und knapp: Die Beantwortung dieser Frage ist ein schwieriges Unterfangen. Warum? Die letzte große Erhebung in Österreich, die sogenannte Zeitverwendungserhebung[1], die durch die Statistik Austria 2008/09 erhoben wurde, ist in die Jahre gekommen. Die Zeitverwendungserhebung 2008/09 zeigte, dass Frauen täglich durchschnittlich 3 Stunden und 42 Minuten Hausarbeit verrichten, Männer hingegen nur knapp die Hälfte mit 1 Stunde und 58 Minuten. Das heißt, dass Frauen knapp zwei Stunden mehr unbezahlt arbeiteten als Männer.

Nun rund 15 Jahre später läuft wieder eine Erhebung, deren Veröffentlichung Statistik Austria mit Herbst 2023 datiert. Die unregelmäßige und inkonsequente Durchführung bzw. die Entscheidung der Politik die Zeitverwendung von Herrn Österreicher und Frau Österreicherin über einen so langen Zeitraum nicht abzufragen, verhindert genaue Aussagen darüber und wird von Seite vieler Frauenpolitiker/-innen heftig kritisiert. Die Verschleierung des Ungleichverhältnisses bei der unbezahlten Arbeit durch die fehlenden Daten hat frauenpolitisch katastrophale Konsequenzen: Es wird verhindert, dass unbezahlte Reproduktionsarbeit von Frauen sichtbar und anerkannt wird, die Mehrfachbelastungen von Frauen somit bestehen bleibt und in letzter Konsequenz auch keine entsprechenden politischen Handlungen gesetzt werden, die die richtige FAIRteilung von (un-)bezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern zum Ziel haben.

Um aber trotzdem Aussagen über die Zeitverwendung machen zu können bietet sich alternativ der Arbeitsklima Index Frauen[2] der Arbeiterkammer Oberösterreich für eine aktuelle Zwischenbilanz zur FAIRteilung der unbezahlten Arbeit an: Hier gaben Frauen im Jahr 2022 an täglich im Schnitt 3 Stunden und 18 Minuten für die Hausarbeit und Kinderbetreuung aufzubringen. Im Gegensatz dazu verwenden Männer „nur“ etwas mehr als zwei Stunden täglich für die Kinderbetreuung und Hausarbeit. Insgesamt verwendeten Frauen 2022 eine Stunde und 12 Minuten mehr für Kinderbetreuung und Hausarbeit als Männer. Aus Sicht der Frauen- bzw. Geschlechterpolitik ist das kein Anlass für Luftsprünge – denn anzumerken ist, dass hier die Befragten die Verteilung der 24 Stunden eines typischen Arbeitstages in unterschiedliche Bereiche aus dem Gedächtnis aus machen sollten. Die Erhebung unterscheidet sich somit grundsätzlich von der Methode der Statistik Austria (Tagebuchführung) und ist auch nicht vergleichbar, liefert aber brauchbare und aktuelle Ergebnisse. Im AKI wurde in einer ähnlichen Variante (Kinderbetreuung und Haushalt wurden bis 2020 zwar in einer Kategorie abgefragt) bereits 2012 abgefragt, wieviel Zeit Frauen und Männer für unbezahlte Kinderbetreuung aufbringen. Der Langzeitvergleich dokumentiert, dass sich hinsichtlich innerfamiliärer Aufgabenteilung nur wenig verändert hat und das Gros der unbezahlten Arbeit von Frauen erledigt wird.

Abbildung 1: AKI Frauen 2012-2022. AK OÖ Darstellung. Kategorien Hausarbeit und Kinderbetreuung ab 2020 zusammengefasst.

Der AKI-Frauen zeigt außerdem, dass rund 60 Prozent der befragten Frauen in Mehrpersonenhaushalten angeben den Haushalt alleine zu stemmen, bei den Männern in der gleichen Haushaltsform sind es im Vergleich dazu nur 12 Prozent. Lediglich 24 Prozent der befragten Frauen mit Kindern sehen 2022 eine partnerschaftliche Aufteilung der Hausarbeit und Kinderbetreuung in ihrer Partnerschaft realisiert. Bei den Männern hingegen, geben 37 Prozent an in Mehrpersonenhaushalten die unbezahlte Arbeit 50:50 zu teilen.

Nicht zufällig gehen also viele Frauen vor diesem Hintergrund einer Teilzeitbeschäftigung nach. Zwar ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen, das Beschäftigungswachstum spielt sich allerdings fast ausschließlich im Bereich der Teilzeitarbeit ab. Rund sechs von zehn Oberösterreicherinnen arbeiten mittlerweile in Teilzeit, während bei den Oberösterreichern weniger als einer von zehn in Teilzeit arbeitet. Während Männer häufig den Entschluss fassen Teilzeit zu arbeiten um Hobbies und persönlichen Interessen nachzugehen aber auch um Qualifizierungen und Weiterbildungen wahrzunehmen, gilt als häufigstes Motiv für die Teilzeitarbeit von Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgrund des schlecht aufgebauten Netzes an institutioneller Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen (Krabbelstuben, Kindergärten usw.).

Denn die flexible Arbeitswelt der berufstätigen Frauen/Eltern passt nicht zu den starren Öffnungszeiten der institutionellen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen. Die Mehrheit der berufstätigen Frauen arbeitet in Dienstleistungsberufen, in welchen Wochenendarbeit üblich ist, aber auch Schicht- und Wechseldienst oder Früh- und Spätdienste keine Seltenheit sind. Es fehlt ein ausreichendes Angebot für Kinderbildungs- und betreuungsplätze und es gibt zu wenig Pflege- und Betreuungsplätze für ältere und pflegebedürftige Personen. Das alles resultiert in einer steigenden Mehrfachbelastung von Frauen, die den Spagat zwischen der Vereinbarkeit von Beruf/ Ausbildung/ Studium und Familie irgendwie meistern müssen.

Was es braucht ist ein vielschichtiges Maßnahmenbündel: Zuerst muss die unfaire Verteilung von bezahlter/ unbezahlter Arbeit sichtbar gemacht werden, indem diese auch regelmäßig statistisch erhoben werden. Zweitens braucht es gesetzliche Reformen und Maßnahmen, die Anreize hin zur UmFAIRteilung von bezahlter/unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern setzen: Dazu braucht es unter anderem familienfreundlichere Betriebe und innovative Familienarbeitszeitmodelle (bspw. AK-ÖBG Familienarbeitszeitmodell) aber auch Karenzmodelle, die beide Elternteile in die Pflicht nehmen. Drittens braucht es einen forcierten Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung und der mobilen sowie der stationären Pflege und Betreuung für ältere Angehörige. Darüber hinaus braucht es einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag, der dafür sorgt vormals unbezahlte Arbeit zu einer öffentlichen Angelegenheit zu machen. Nicht zuletzt braucht es eine Entkoppelung der als Naturgesetz gehandelten Einheit vom privaten Haushalt und des weiblichen Geschlechts bzw. einem umfassenden Umdenken der bestehenden Konstrukte der Geschlechter!

Wir schreiben das Jahr 2023 und es ist höchste Zeit die bezahlte Arbeit aber auch die unbezahlte im Spannungsfeld der Vereinbarkeit von Beruf und Familie FAIR zu verteilen!

[1] Bei der Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria werden Personen ab zehn Jahren gebeten 48 Stunden lang, entweder in Form eines Tagebuches oder via APP, alle Tätigkeiten eines Tages, die zehn Minuten oder länger beanspruchen, zu dokumentieren.

[2] Der Arbeitsklima-Index Frauen wird im Zuge des quartalsmäßig erhobenen Arbeitsklima-Index (Befragung zur Evaluierung der AK-Mitgliederzufriedenheit) durch das IFES und SORA im Auftrag der AK OÖ mittels Telefon- und Onlineinterviews erhoben. 2022 umfasste die AKI-Frauen Stichprobe 2.221 Personen, wovon 1.078 weiblich (49 Prozent) waren.

Erika Rippatha; Leiterin
Viktoria Reisinger, Referentin
Karin Ortner
Karin Ortner

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