Im Talk mit Merve und Demet über Arbeiten und Studieren

Heike Angerer
Heike Angerer
30. April 2021

In diesem Beitrag erzählen zwei junge Frauen, wie es ihnen mit Arbeiten und Studieren geht. Über Problemfelder, Schwierigkeiten aber auch über die guten Seiten und wovon sie dadurch profitieren. Sie lassen uns teilhaben an ihren persönlichen Erfahrungen und geben auch anderen Mitstudierenden eine Stimme.

Was studiert ihr und warum habt ihr euer Studienfach gewählt?

Merve: Ich studiere Jus an der Uni Wien, bin jetzt 29 Jahre und im letzten Drittel meines Studiums. Ich hatte schon als Jugendliche immer wieder Ferialjobs und Praktika und war mit dem Thema Recht, vor allem Arbeitsrecht konfrontiert. Das hat mich schon immer total fasziniert. Ich habe später mit Jus begonnen, weil ich meine eigenen Rechte kennen wollte und lernen wollte, diese auch durchzusetzen. Und es ist mir auch wichtig, anderen zur Durchsetzung ihres Rechts zu verhelfen.

Demet: Ich studiere ebenfalls Jus an der Uni Wien, bin auch 29 Jahre und bin quasi schon fertig mit meinem Studium. Ich muss aktuell nur mehr den Antrag stellen für den Magisterbescheid. Dann habe ich es geschafft. Für mich war eigentlich immer klar, dass ich Jus studiere. Meine beiden Eltern sind im juristischen Bereich in Istanbul tätig und ich habe die Vielseitigkeit der Juristerei immer schon so spannend gefunden.

Wie geht es euch mit Arbeiten und Studieren?

Merve: Ich arbeite seit ca. 8 Monaten im juristischen Bereich und habe eine Festanstellung. Ich hatte im Laufe meines Studiums immer wieder Jobs, das hatte aber eigentlich nichts mit Jus zu tun. Jetzt arbeite ich Teilzeit in einer Anwaltskanzlei.

Früher hatte ich eine Zeit lang ein Stipendium. Doch wenn man über der Mindeststudiendauer +1 Semester ist, wird das Stipendium gestrichen. Ich muss jetzt arbeiten und kann nicht sagen, ich studiere nur. Meine Eltern können mich nicht mehr finanziell voll unterstützen. Das Problem ist, dass man für den 2. Abschnitt einfach sehr lange braucht, bei Jus. Das ist ein enormer Zeitaufwand, die Prüfungsvorbereitung. Und das geht sich einfach nicht aus mit dem Stipendium von der zeitlichen Vorgabe her. Ich kenne viele, bei denen es auch so ist.

Außerdem sind die Bücher, die wir fürs Studium brauchen, enorm teuer; die Kodizes werden immer novelliert, d.h. wir brauchen natürlich immer die aktuelle Ausgabe; für eine Prüfung gebe ich mindestens 100 Euro aus. Auch wenn ich es über die Bücherbörse mache, kostet das einiges. Auf der Uni kann man schon auch ausleihen, aber es gibt eine lange Warteliste, da verliert man erst recht wieder Zeit.

Fest steht, dass parallel arbeiten und studieren eine zeitliche und planerische Herausforderung ist; weil man ja auch ein Leben hat, einen Haushalt, eine eigene Familie.

Demet: Ich habe schon vor einigen Jahren begonnen parallel zu arbeiten und zu studieren. Es war mir klar, dass es nicht leicht wird, aber erstens wollte ich Praxiserfahrung sammeln und zweitens wollte ich einfach finanziell unabhängig sein. Ich arbeite 20 Wochenstunden in einer Kanzlei. Grundsätzlich geht es sich bei mir ganz gut aus und ich konnte mir die Zeit immer gut einteilen. Was es braucht, ist auf jeden Fall, volle Disziplin, das ganze Leben ist schon sehr getaktet. Gehakt hat es bei mir besonders in den Zeiten, wo ich mich für wirkliche Monster-Prüfungen vorbereiten musste. Da war ich schon manchmal echt verzweifelt.

Und es ist mir echt schwergefallen, mich auf zwei verschiedene Themen oder Fachgebiete gleichzeitig zu konzentrieren. Meine letzte Prüfung auf der Uni war Strafrecht, und beruflich habe ich wenig mit Strafrecht zu tun. Ich muss sagen, das war schon eine große Herausforderung beidem gerecht zu werden.

Wovon profitiert ihr am meisten?

Merve: Die praktische Arbeit hilft sehr beim Studium, das war für mich schon auch ein wichtiger Beweggrund, mir einen Job, genau in meinem Fach zu suchen. Und natürlich, dass ich eine Festanstellung aus finanziellen Gründen einfach brauche, da führt kein Weg dran vorbei.

Demet: Da stimme ich der Merve voll zu. Die Arbeit hat mir persönlich zum Beispiel sehr geholfen bei verfahrensrechtlichen Prüfungen, weil die sehr praxisbezogen sind. Da hatte ich sogar eine sehr gute Note.

Was braucht es aus eurer Sicht, um diese Kombination gut lebbar zu machen?

Merve und Demet unisono:

Wenn man eine gute ArbeitgeberIn hat, dann ist das die Basis für alles Weitere. Da hat man keine Schwierigkeiten mit freinehmen für Prüfungen, wenn man es braucht. Es braucht Verständnis für Studierende, die berufstätig sind. Wenn man das nicht hat, schaut es schon ganz anders aus.

Da kennen wir genug Geschichten. Aber eine zeitliche Herausforderung bleibt es allemal.

Arbeit bringt Routine ins Studierendenleben und natürlich ist Einkommen wichtig, aber beeinflusst schon die Studiendauer. Man muss genau abschätzen und planen, wieviel Zeit man fürs Lernen braucht. Man braucht sicher zweimal so lange für die Prüfungsvorbereitung. Es ist alles eine enorme Planungsarbeit. Und wie gesagt, ohne Entgegenkommen von der ArbeitgeberIn geht gar nichts.

Was ist denn eure berufliche Perspektive:

Merve: Bin noch nicht sicher, muss mal mein Studium beenden. Danach kommt das Gerichtsjahr. Ob klassische juristische Laufbahn oder auch in einem Unternehmen, das muss ich noch ausloten. Vielleicht auch an der Uni. Was aktuell auffällt, ist, dass sehr viele Frauen Jus studieren, aber bei den Professorinnen schaut es schon wieder anders aus. In den letzten Jahren hat sich da viel verbessert, aber auch später hin sind z.B. Frauen als Anwältinnen unterrepräsentiert, da ist Luft nach oben.

Demet: Ich beginne bald mit dem Gerichtsjahr und bleibe parallel bei meinem jetzigen Arbeitgeber und werde danach auch bei diesem weiterarbeiten. Aktuell habe ich noch ein ärgerliches Problem. Nach dem Gerichtsjahr, muss ich schauen, wie ich da weitertun kann, denn ich darf als türkische Staatsbürgerin, wie auch andere Drittstaatsangehörige, nicht als Konzipientin tätig sein und bleibe dann nur juristische Mitarbeiterin. Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft hat sich in den letzten erschwert und das verzögert meine juristische Laufbahn.

Was würdet ihr euch wünschen, um Beruf und Studium besser vereinen zu können?

Merve und Demet unisono:

Die Abschaffung der Pflichtübungen hat in unserem Studium sehr geholfen, dass wir die Zeit flexibel einteilen können. Stipendien sollten länger ausbezahlt werden und mehr an die jeweilige Situation von Studierenden angepasst werden; die Auszahlung ist bei Diplomstudien zudem anders geregelt.

Und noch einmal: Absolut wichtig ist ein Arbeitsplatz wo es Verständnis und Entgegenkommen gibt für die Doppelbelastung Arbeiten und Studieren.

Heike Angerer
Heike Angerer
Mag.a Heike Angerer; Bildungsberaterin in der Abteilung für Lehrausbildung und Bildungspolitik, AK Wien

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