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Grenzüberschreitende Studien in Österreich – ein boomendes Geschäftsmodell

Iris Schwarzenbacher
Iris Schwarzenbacher
27. September 2018

Die Zahl der ausländischen Studienangebote in Österreich steigt stetig: Mittlerweile gibt es bereits über 300 derartige Studien, die kaum an gesetzliche Vorschriften in Österreich gebunden sind – denn ihr formaler Sitz befindet sich im Ausland. Meist richten sich die Angebote an Berufstätige, von denen hohe Gebühren eingenommen werden, zum Teil sogar über 20.000 Euro. Über Lehrinhalte, Qualität, Lehrende sowie Studierende und Akzeptanz der ausländischen Abschlüsse am Arbeitsmarkt weiß man jedoch sehr wenig. Im Unterschied zu anderen Ländern müssen solche Angebote in Österreich derzeit zumindest gemeldet werden, aber auch das könnte bald Geschichte sein. Eine Analyse dieser boomenden Grauzone.

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Hochschulbildung als Exportgeschäft

Hochschulbildung ist in den letzten Jahren in Europa zum boomenden Exportgeschäft geworden. Auch in Österreich wird mittlerweile viel Geld mit den lukrativen grenzüberschreitenden Studienangeboten gemacht – denn die Voraussetzungen zur Gründung sind günstig. Ausländische Hochschulinstitutionen dürfen auf österreichischem Boden Studienprogramme durchführen, ohne sich an den Großteil der Vorgaben halten zu müssen, die für österreichische Hochschulen gelten – es gilt nämlich die Rechtslage des jeweiligen Herkunftslandes. Angeboten werden die Programme vielfach von privaten Instituten, die häufig hohe Summen an Gebühren einheben. So kosten die Programme nicht selten zwischen 10.000 und 25.000 Euro. Die Palette umfasst mittlerweile mehr als 50 anbietende Institutionen, die Mehrheit davon aus Deutschland und England. Aber auch über Einrichtungen wie die Universidad Azteca (Mexiko), Niagara University (USA) oder University of the Sunshine Coast (Australien) werden in Österreich Studien angeboten. Und das Angebot expandiert stetig: Mittlerweile gibt es bereits mehr als 300 solcher Studiengänge.

Mangelnde Transparenz und Qualitätssicherung

Da sich der Sitz dieser Hochschulen offiziell im Ausland befindet, gibt es bei grenzüberschreitenden Studienangeboten keine Qualitätsprüfungen nach hiesigen Standards. Während also inländische öffentliche und private Hochschulen ihre Studiengänge bei der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) prüfen lassen müssen, weiß man nichts über die Qualitätsstandards der grenzüberschreitenden Hochschulangebote. Zusätzlich sind de facto keine Informationen über die Zahl der Studierenden, StudienabbrecherInnen, AbsolventInnen oder Lehrenden öffentlich verfügbar.

Zudem ist die Unterscheidung von ausländischen und inländischen Anbietern nicht immer einfach: Die grenzüberschreitenden Angebote werden oft mit österreichischen Privatuniversitäten verwechselt, denn bei vielen der Institutionen muss man im Kleingedruckten nachlesen, dass sich ihr eigentlicher Sitz im Ausland befindet. So entsteht bei einigen der entsprechenden Studienangebote der Eindruck, dass kaum ein Bezug zwischen dem österreichischen Standort und dem formalen Sitz im Ausland besteht – und dass die Rolle der eigentlich anbietenden Hochschule auf das Verleihen des akademischen Grades reduziert ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass solche Arrangements in einzelnen Fällen als rechtliches Schlupfloch genutzt werden, um sich das hiesige Qualitätsprüfungsverfahren (z. B. im Fall der Akkreditierung als Privatuniversität) zu sparen.

Es hat sich eine erhebliche Grauzone innerhalb des österreichischen Hochschulsystems gebildet, mit der vermutlich viel Geld gemacht wird, über die man aber so gut wie nichts weiß und in der keine Handhabe zur hochschulpolitischen Gestaltung besteht. Dies drängt zur Frage, ob es hier nicht stärkere Regulierung braucht, um Qualitätsstandards bei hochschulischer Bildung zu gewährleisten.

Von Betriebswirtschaft im Ural bis Lehramt in Beirut

Die Palette an unterschiedlichen Studienangeboten ist breit: Angefangen bei Bachelorstudiengängen in Ingenieurswissenschaften über Masterstudien in Psychologie bis hin zu Doktoratsstudien der Philosophie. Insgesamt zeigt sich, dass es auffallend viele Studien aus dem Bereich Betriebswirtschaft und Management gibt. Auch Bildungs- und Gesundheitsberufe spielen eine wichtige Rolle. Schwerpunktmäßig werden die grenzüberschreitenden Studien in Wien durchgeführt, es finden sich jedoch in ganz Österreich Standorte, etwa in Leobersdorf, Bogenhofen, Saalfelden, Schloss Mondsee oder Schloss Seggau. Dabei gibt es langjährig etablierte Institutionen wie die Fernuniversität Hagen, aber auch Angebote wie ein Lehramtsstudium, das vom „Schulverein der Siebenten-Tags-Adventisten“ in Oberösterreich in Zusammenarbeit mit einer adventistischen Universität im Libanon durchgeführt wird, oder etwa 33 Studiengänge der „Hayek International Business School“ in Kooperation mit der Wirtschaftsuniversität vom Ural (Russland), die die akademischen Abschlüsse verleiht.

Hauptzielgruppe: Berufstätige

Die anbietenden Institutionen sprechen besonders die Zielgruppe der Berufstätigen an. Sie werben mit individueller Beratung (z. B. Beratungsfrühstück), großzügigen Anrechnungen von vorher erworbenen Kompetenzen und vor allem maßgeschneiderten Angeboten für Berufstätige (z. B. Fernstudien). Als attraktiv wird von ihnen oft hervorgestrichen, dass viele Programme nur wenige Wochenenden Anwesenheit erfordern.

Ebenfalls wird häufig betont, dass die Qualität der Studiengänge und der zu erwerbenden Abschlüsse hoch sei. Die Institutionen werben dabei häufig auch mit der Meldung des Studienprogramms bei der AQ Austria – was zwar nichts über die Anerkennung des Abschlusses aussagt, jedoch sehr offiziell wirkt – oder mit einer „generellen Anerkennung“ unter Verweis auf diverse Prüflogos. Speziell für jene, die mit dem etablierten Hochschulsystem nicht so vertraut sind, sind Unterschiede zwischen Begriffen wie Meldung, Anerkennung, Akkreditierung, Nostrifizierung, ISO-Zertifizierung, Ö-Cert etc. erfahrungsgemäß jedoch nicht nachvollziehbar. Informationen, ob die AbsolventInnen solcher Studien ihre Abschlüsse tatsächlich führen dürfen und inwiefern diese am Arbeitsmarkt akzeptiert werden, sind nur rudimentär bis gar nicht vorhanden.

Treten bei Studierenden Probleme auf, haben sie in Österreich keine (rechtlichen) Handlungsoptionen. Denn sie sind keine Mitglieder in der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), bei Problemen ist die ausländische Hochschule zuständig. Ob eine Beschwerde bei der Hochschule im Ausland, zu der häufig kein oder kaum Bezug besteht, sehr aussichtsreich ist, ist in vielen Fällen wohl eher fraglich.

Meldepflicht der Studienangebote könnte fallen

Seit 2014 sieht das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS-QSG) zumindest vor, dass ausländische Studienangebote bei der AQ Austria gemeldet werden müssen. In vielen EU-Ländern existiert hingegen nicht einmal eine solche Meldepflicht. Die Meldepflicht bedeutet jedoch auch hierzulande keine generelle Qualitätsprüfung: Anders als bei regulären Studienangeboten an österreichischen Hochschulen wird keine Akkreditierung der Studiengänge und der Abschlüsse vorgenommen. Lediglich bei Kooperationen mit inländischen Anbietern wird der Teil der Programme von der AQ Austria nach bestimmten Kriterien geprüft, der an der österreichischen Institution durchgeführt wird. Der Verfassungsgerichtshof hat im März 2018 den § 27 HS-QSG, der die Meldepflicht solcher Studienangebote regelt, wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig aufgehoben. Wird die Regierung nicht tätig und repariert die Bestimmung bis zum Ende des Jahres, könnte also sogar die Meldepflicht fallen.

Gesetzesreparatur nötig: Gegen Grauzonen im Hochschulsektor!

Angesichts des steigenden Studienangebots von Hochschulstudien in Österreich durch ausländische Anbieter sind dringend Verbesserungen im Interesse von StudieninteressentInnen und Studierenden erforderlich. Ein ersatzloses Auslaufen der bisherigen Bestimmung und damit die völlige Deregulierung ab Jänner 2019 sind der falsche Weg. Das mitunter vorgebrachte Argument der „Wettbewerbs- oder Dienstleistungsfreiheit“ ist nicht stichhaltig, da sich inländische Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen etc. auch an bestimmte gesetzliche Vorgaben und Qualitätsstandards halten müssen. Zusätzlich kann das zuständige Wissenschaftsministerium im Sinne der geplanten Weiterentwicklung des österreichischen Hochschulraums kein Interesse daran haben, dass man über die boomende Grauzone „grenzüberschreitende Studien“ gar keine Informationen mehr hat.

Eine gesetzliche Neuregelung muss deutlich über eine bloße Meldepflicht hinausgehen, um mehr Transparenz sowie Qualitätssicherung zu schaffen: Alle Studien ausländischer Hochschulen, die in Österreich angeboten werden, sollten einem Qualitätssicherungsverfahren unterzogen werden, wobei für Angebote aus dem EU-Raum eine EU-rechtskonforme Sonderregelung geschaffen werden muss. Die anbietenden Institutionen sollen zusätzlich verpflichtet werden, jährlich zumindest die Zahl ihrer Studierenden und AbsolventInnen an das Wissenschaftsministerium oder die AQ Austria zu melden. Diese Datenmeldepflicht ist notwendig, um einen Überblick über diesen expandierenden Sektor zu erhalten.

Auch (potenzielle) Studierende müssen besser informiert werden: Eine Verstärkung des „VerbraucherInnenschutzes“ ist nötig, um für die Studierenden, die vielfach nicht unbeträchtliche Studiengebühren bezahlen, bessere Transparenz hinsichtlich der „Anbieterseite“ herzustellen. Diese soll verpflichtet werden, die StudieninteressentInnen über die Trägerinstitution, den Ausbildungsvertrag inkl. Studienkosten, die Lehrenden sowie den Abschluss in leicht auffindbarer Form (öffentlich zugänglich über die Website) zu informieren.

Die bisherigen Entwicklungen im unübersichtlichen Sektor grenzüberschreitender Studien machen eines deutlich: Es braucht stärkere Vorgaben, um dem weiteren Boom dieser Grauzone im Hochschulsektor entgegenzuwirken.

 

Dieser Beitrag wurde von Iris Schwarzenbacher gemeinsam mit Martha Eckl verfasst und erschien erstmals am A&W Blog.

Iris Schwarzenbacher
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Iris Schwarzenbacher, MSc. In der Arbeiterkammer Wien als Referentin in der Abteilung Bildungspolitik u.a. für den Bereich Hochschulpolitik zuständig.

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